Die Kinder und Jugendlichen bestimmen selbst ihr Thema und ihr Tempo, in dem sie lernen. Diese Form des Lernens nennt Maria Montessori »Freiarbeit«. In den höheren Klassen heißt es »Freie Studienzeit«.

Die Freiarbeit in Kinderhaus und Grundschule bzw. die Freie Studienzeit in der Oberschule sind das Herzstück der Organisation des Schulalltages und umfassen den größten Teil des Tages. In diesem Zeitraum haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, selbst gewählten und vereinbarten Tätigkeiten nachzugehen, mit dem bereitgestellten Material zu arbeiten und dabei frei gewählte Kontakte zu den Mitschülern aufzunehmen. Die Kinder und Jugendlichen arbeiten zunehmend selbstständig, allein oder in Gruppen und so lange, wie sie es wünschen. Dabei lernen sie, miteinander zu arbeiten, zu reden, Probleme zu lösen, sich gegenseitig zu helfen, aufeinander Rücksicht zu nehmen und sorgfältig mit Lernmaterialien umzugehen.

Meist gehen der Freiarbeit (die über mehrere Wochen gehen kann) Darbietungen durch die Pädagogen voraus. Sie zeigen und erläutern große Zusammenhänge (wie »Die Entstehung der Erde und des Kosmos«) oder auch einzelne Themen (wie »Das Wirken der Luft«) in Form von Darbietungen für eine Gruppe von Lernenden. (Weiterlesen: Die vorbereitete Umgebung, Pädagoginnen und Pädagogen)

Innerhalb der Freiarbeit und der freien Studienzeit gibt es Gruppen- oder Einzeldarbietungen, individuelle Lernphasen, Präsentationen oder Gespräche mit der ganzen Gruppe. Auch Projekte, Theateraufführungen oder Fremdsprachen sind Teil der Freiarbeit und initiieren ein ganzheitliches Lernen.

Grundlage dieses Konzepts der Freiarbeit sind drei Erkenntnisse von Maria Montessori:

1. Die Freiheit des Kindes

Nach Maria Montessoris Auffassung kann eine wahre und innere Freiheit nicht gegeben oder erobert werden, es kann sie nur jeder in sich selbst aufbauen - als ein Teil der eigenen Persönlichkeit. Das Streben des Kindes nach Unabhängigkeit und Selbstständigkeit ist die Grundlage und Ausgangsposition. Anstelle von Interventionen und Beschränkungen, benötigt das Kind Freiraum, Zuwendung, Respekt und Ordnung zur Entwicklung innerer Freiheit. Diese Fürsorge muss Montessoris Meinung nach im frühesten Alter beginnen. In dieser Zeit wird das Kind vor allem durch Impulse seiner Natur geleitet. Man sollte nicht warten, bis es das Vernunftalter erreicht, um ihm die Bedeutung und die Würde der Freiheit zu erklären.

2. Die Arbeit

Im Idealfall ist Arbeit eine Aktivität, die aus dem Kind selbst heraus entsteht. In der vorbereiteten Umgebung werden diese intrinsischen Motive angeregt. Das Kind arbeitet hingebungsvoll, voll tiefem Interesse. Es wird glücklich von seiner Arbeit. Folgt ein Kind hingegen Belehrungen oder dem Wunsch eines Erwachsenen, macht die Arbeit es müde. Erzwungene Arbeit schadet dem Kind oder Jugendlichen, weil dadurch erster Arbeitswiderwille entsteht.

3. Die Polarisation der Aufmerksamkeit

Wenn Lernende sich Inhalte selbst gewählt haben, gibt es die Chance, Zeiten höchster Konzentration und Versunkenheit in ein Thema zu erleben. Äußere Störungen erreichen sie nicht. Wenn sie aufhören zu arbeiten, dann ganz unabhängig von den Ablenkungen um sie herum, zufrieden, als ob sie von einem erholsamen Schlaf erwacht wären.

Das ist einer der Schlüssel der ganzen Pädagogik: diese kostbaren Augenblicke der Konzentration zu erkennen und nicht zu stören!